For Publishers
ABENTEUER IN DER BRASILIANISCHEN FOLKLORE
Regina Drummond
Girassol Brasil Verlag, São Paulo
Übersetzung von Claudia Stein
Das ist ein Buch mit 8 Geschichten.
Iaras Haare
Regina Drummond
Wissenswertes über Iara
Iara, auch “Mutter des Wassers” oder “Uiara” gennant, ist eine junge Frau, die im Amazonas lebt. Sie ist halb Mensch, halb Fisch, so ähnlich wie eine Nixe. In der Legende heist es, sie sei so schön, das niemand ihrem Zauber widerstehen kann. Mit ihrer wundervollen Stimme lockt sie die Menschen in den Fluss und ertränkt sie dann. Die brasilianischen Indianer haben grosse Angst, von ihr wehext zu werden, deshalb meiden sie Seen und Flüsse, vor allem in der Abenddämmerung. Diese Geschichte gehört zu den Volkssagen von Nordbrasilien, aber es gibt sie in ähnlicher Form mit ein paar Abweichnungen auch in anderen Gegenden und Ländern.
Wissenswertes über der Bandeirante
“Bandeirantes” waren die Männer in den portugiesischen Expeditionstrupps, die während der Kolonialzeit das Hinterland Brasiliens erforschten und dabei Indianer als Sklaven einfingen. Sie suchten auch Gold, Diamanten, Smaragde, Rubine und andere wertwoll Steine.
Die wolle Geschichte: Iaras Haare
Die schöne Iara lehnte an einem grössen runden Stein. Ihre langen Haare fielen herunter wie dicke Zweige.
Zu ihren Füssen glitt lautlos das Wasser des Flusses dahin, und vom nahe gelegenen Wasserfall drang ein Rauschen herüber.
Iara began zu singen.
“Lalala, lari, lá, lá...”
Es war ein schönes, aber sehr trauriges Lied.
Da kam ein Bandeirante vorbei und hörte ihren Gesang.
“Was das wohl für ein Vogel ist?”, fragte er sich. “So etwas habe ich noch nie gehört.”
Und er folgte der Stimme. Als der Bandeirante das schöne junge Mädchen auf dem Stein erblickte, war er ganz bezaubert.
Sie sang wunderbar lieblich und sah dabei zu ihm herüber.
Da bemerkte er, dass ihr die Tränen in den Augen standen. Oder waren es nur ein paar Wassertropfen aus dem Fluss, die durch die Luft sprühten?
Der Bandeirante kannte die Legende von Iara, der Frau, die die Männer mit ihrem schönen Gesang in den Tod lockte. Doch in diesem Moment hatte er die Geschichte vergessen. Er trat an Iara heran und fragte höflich:
“Warum weinst du? Kann ich dir helfen?”
Auch Iara erinnerte sich nicht daran, dass sie den Mann in den Fluss locken und ertränken sollte. Stattdessen erzählte sie die Wahrheit:
“Ich kann meine Haare nicht entwirren, und heute Nachte ist Vollmondfest. Wie sol lich es bloss schaffen, schön auszusehen, mit diesen schrecklichen Haaren?”
Der Bandeirante ging ganz langsam auf ihren Stein zu.
“Ich glaube, das kriege ich hin”, sagte er. “Darf ich?”
Sie nickter, und er ging ganz nah zu ihr hin.
“Schliess die Augen”, bat er.
Sie wischte sich mit dem Handrücken die Tränen ab, gab ihm den Kamm und tat, wie ihr geheissen.
Dann öffnete er eine Dose und gabe etwas Creme in ihre verknoteten Haare. Und während er sie kämmte, sagte er ein paar sinnlose Sätze, um sie zu beruhigen.
“Ich habe hier etwas Besonderes für solche Fälle. Es tut auch gar nicht weh. Bleib einfach still sitzen. Ich nehme immer nur ganz wenige Haare auf ein Mal. Ist es gut so?”
Ganz langsam, Strähne für Strähne, kämmte er das Haar des schönes Mädchen durch. Dann massierte er ihr auch noch die Kopfhaut, und das war so angenehm , dass sie beinahe eingeschlafen wäre.
“Fertig”, sagte er auf einmal. “Jetzt kannst du dich zurechtmachen. Ich wette, du wirst die Schönste auf dem ganzem Fest sein!”
“Iara” tauchte ein letztes Mal unter und kam mit einem fröhlichen Lachen aus dem Wasser. Dann küsste sie den “Bandeirante” auf die Wange und rief:
“Papa, du bist wirklich der Grösste! Meine Haare sind toll geworden, vielen Dank! Es ist unglaublich, wie du mit deinen Geschichten alle Probleme lösen kannst!”